Auf einmal ist Gott zu Gast: Zehn Jahre Haus der Religionen
Wer hilft, wenn das Auto nicht anspringt? Der schiitische Gelehrte hat einen unfehlbaren Tipp: Schnell ein Gebet zu Imam Ali, und der Motor läuft. Die Züge der Besucherin entgleisen: Nicht bei den christlichen Theologen, die sich zur Dialogreise in den Iran aufgemacht haben, aber bei der deutschen sunnitischen Muslimin in der Besuchergruppe. Für sie ist das ein lästerlicher Aberglaube, den sie nicht hinnehmen kann. Die Stimmung wechselt abrupt: von „angeregt“ zu „frostig“. Da kommt einem Katholiken die rettende Idee. „Bei uns gibt es das auch“, berichtet er: Diese Hoffnung auf ein kleines Alltagswunder, das dieser oder jener Heilige doch befördern möge. „Genau das ist das Problem mit euch“, kontert sein evangelischer Kollege. Und schon verbünden sich Katholiken und Schiiten temperamentvoll gegen Protestanten und Sunniten. Die Fronten zwischen Deutschen und Iranern, Christen und Muslimen sind auf einmal aufgebrochen.
Von solchen kleinen Wundern im interreligiösen Dialog berichtete der katholische Theologe Prof. Dr. Klaus von Stosch aus Paderborn in seinem inspirierenden Vortrag, den er dem Haus der Religionen zum zehnten Geburtstag schenkte. Rund 200 Gäste aus den Religionsgemeinschaften, der Politik und der Stadtgesellschaft waren gekommen, um zum Jubiläum zu gratulieren und miteinander ins Gespräch zu kommen. Von Stosch ermunterte sie, nicht dabei stehen zu bleiben, dem anderen die eigenen Standpunkte mitzuteilen. Vielmehr bietet der interreligiöse Dialog die Chance, sich selbst zu bewegen – wenn man sich nicht auf Allgemeinthemen wie Frauenrechte oder Weltfrieden einschränkt, sondern den Mut findet, gemeinsam nach der letzten Wirklichkeit zu suchen. Und noch mehr: Wer dem anderen seine intellektuelle Gastfreundschaft anbiete, dem kann passieren, was Abraham passiert ist: „Auf einmal hat er Gott zu Gast.“
Fünf Haltungen empfiehlt von Stosch für den interreligiösen Dialog:
1. Demut
2. Zeugnis geben von der Wahrheit der eigenen religiösen Tradition
3. Zutrauen, dass wir uns gegenseitig verstehen können
4. Empathie
5. Gastfreundschaft für die mögliche Wahrheit des anderen
Den Vortrag finden Sie hier zum Nachlesen und als Video auf Youtube (herzlichen Dank an Dimitri Schilmover für die Aufnahme).
In einem Grußwort gratulierte der Schirmherr des Hauses, Oberbürgermeister Stefan Schostok, zum Jubiläum. „Das Haus und der Rat der Religionen gehören zum stabilen Fundament der Stadtgesellschaft, das uns hilft, Bewährungsproben wie die Demonstrationen von Pegida zu bestehen“, sagte er und lobte: „Hier treffen Kompetenz und Empathie auf wunderbare Weise zusammen.“ Für die kommenden Jahrzehnte sicherte er dem Haus der Religionen „mit absoluter Sicherheit“ die Unterstützung der Stadt zu.
Schließlich interviewte Hamza Dehne, scheidendes Vorstandsmitglied im Haus der Religionen e.V., zwei Lehrerkollegen zu ihren Erfahrungen im Haus. Stefan Kurmeier, Schulpastor an der BBS 6, schilderte bewegend die Situation seiner Schüler, von denen die wenigsten einen Hauptschulabschluss schaffen, geschweige denn einen Berufseinstieg in Aussicht haben. „Ihnen wird überall gesagt: Du bist nichts und du kannst nichts. Hier begegnen ihnen die Mitarbeiterinnen mit Freundlichkeit und Wertschätzung.“ Gerade ezidische Schüler, die schon vielfach religiöse Diskriminierung erlebt haben, blühen auf, wenn sie im Haus der Religionen Symbole ihres Glaubens entdecken.
Musikalisch begleitet wurde die Feier von Ehsan Ebrahimi und Freunden, die persische Musik darboten, sowie vom Chor Camerata Vocale unter der Leitung von Hans-Dieter Reinecke. Die Gäste lauschten christlichen Liedern auf Deutsch, Englisch und Russisch sowie Liedern aus jüdischer und muslimischer Tradition.
Über die Feier berichtet u.a. auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover. Den Artikel finden Sie hier.
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